Der Vorwurf aus linksliberalen und sozialreformistischen Lagern nach dem »demokratischen Verzicht auf Gewalt«, ist insbesondere gegenüber autonom organisierten antifaschistischen Kollektiven keine Seltenheit. Das wirft natürlich die Frage auf, inwieweit linke Kollektive auf Gewalt zurückgreifen sollen, können und dürfen.

Was ist das Ziel von Antifaschismus?

Die Frage mag fast schon lächerlich klingen, aber die Antwort ist nur auf den ersten Blick naheliegend. Im ersten Schritt ist das Ziel des Antifaschismus natürlich, den Faschismus abzuwehren. Das ist in sich aber keine hinreichende Zielstellung. Wenn wir den Faschismus als das annehmen, was Dimitroff auf dem XIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale 1933 charakterisiert haben, ergeben sich noch mehr Zielstellungen. Er definiert Faschismus als »terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals«. Das mag im ersten Moment nach willkürlichen Aspekten klingen, dem liegt aber eine grundsätzliche Annahme zugrunde – und zwar die der Funktion des Faschismus. Während bürgerliche Kräfte in aller Regel annehmen, dass Faschismus einfach eine weitere Denkschule ist, die manche besser, manche schlechter als die parlamentarische Demokratie finden, ist Dimitroffs (und die gängige marxistisch-leninistische) Annahme, dass Faschismus unmittelbar mit Faschismus und parlamentarischer Demokratie zusammenhängen. Faschismus ist also keine Meinung, die ein paar demokratisch verkommene Individuen verfolgen, sondern Faschismus ist systemische Folge des Kapitalismus. Genauer ist der Faschismus Reaktion des Kapitals auf Krisenzustände. Sobald sich durch die gesetzmäßigen Krisen des Kapitalismus das monopolkapitalistische Integrationsproblem zuspitzt, also die Arbeiter*innen nicht mehr durch Bewusstseinsfalsifikation freiwillig in das System integriert werden können, kommen Arbeiter*innen immer näher an das Wissen über ihre objektiven Interessen – an Klassenbewusstsein. Um das zu verhindern, das heißt und die Herrschaft des Kapitals zu sichern, muss das Kapital in diesen Krisenzeiten dann also auf die »terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals« – Faschismus – zurückgreifen.

Das Ziel des Antifaschismus kann es also zu keinem Zeitpunkt ausschließlich sein, »den Faschismus zu bekämpfen«. Folgerichtig muss das Ziel von antifaschistischen Kollektiven zu ausnahmslos jedem Zeitpunkt auch sein, den Ursprung des Faschismus zu bekämpfen – den Kapitalismus zu bekämpfen. Denn durch die von Marx bewiesene Gesetzmäßigkeit der Krise ist klar, dass es keinen Kapitalismus ohne Krise und damit keinen Kapitalismus ohne Faschismus geben kann. Die Feststellung, dass Antifaschismus untrennbar mit Klassenkampf verknüpft ist, mag vielleicht grundlegend erscheinen, sie ist für die Frage nach antifaschistischer Gewalt aber unabdingbar. Denn diese Feststellung definiert einen neuen Feind: Jetzt richtet sich die Arbeit nicht mehr primär gegen vereinzelte Individuen, die menschenverachtende Gedanken verfolgen, sondern jetzt heißt antifaschistische Arbeit, Arbeit gegen das gesamtgesellschaftliche System – Arbeit gegen den Staat.

Antifaschistische Gewalt – Mittel oder Zweck?

Viele inhaltlich heterogene – oftmals autonom organisierte – Kollektive vermitteln durch Demo-Hopping, Schlägereien, willkürliche Sprays und Aktionen, die eher der revolutionären Ästhetik als der politischen Arbeit dienen, das Bild von Gewalt als Zweck. Es wird also als Zielstellung der eigenen Arbeit gesetzt, das Haus eines AfD-Mitglieds zu vandalisieren, anstatt diese Arbeit inhaltlich tatsächlich zu begleiten. Ist das sinnvoll? Natürlich nicht. Wir haben den revolutionären Sturz des Kapitalismus als Ziel des Antifaschismus schon ausgemacht. Diesen Sturz erreicht man aber nicht mit inhaltlich unkoordinierten Aktionen, die inhaltlich leer sind. Das Haus eines AfD-Mitglieds zu vandalisieren mag vielleicht, wie eine direkte Aktion gegen eine Person und damit pars pro toto gegen den Faschismus wirken, real wird diese Aktion aber weder kurz- und schon gar nicht langfristig etwas erreichen können und in dem Moment wird Gewalt zum Zweck. Inwiefern die AfD tatsächlich als faschistische Organisation zu verstehen ist sei hierbei zudem jetzt mal außenvor. Aber was ist dann die Alternative? Die Alternative ist langfristiges konzeptionelles Arbeiten. Das darf aber nicht mit bürokratischem Arbeiten verwechselt werden – konzeptionell bedeutet nicht einfach, Ideen bürokratisch zu verschriftlichen. Konzeptionelles Arbeiten bedeutet vor einer Aktion über drei Dinge zu diskutieren:

Was ist die Ausgangssituation, in der wir uns befinden – was sind Themen, an denen man in seinem Umfeld anknüpfen kann, was sind erwartete Repressionen und so weiter. Zweitens muss die Zielstellung diskutiert werden. Wie kann man die Aktion in die gesamte Zielstellung – die wir als Sturz des Kapitalismus ausgemacht haben – einbetten und inwiefern bringt sie den Klassenkampf real weiter. Drittens muss das Herangehen festgestellt werden. Wie erreichen wir die Ziele, die wir gerade diskutiert haben? Und genau da schlägt der Bogen zurück zu Gewalt. Wenn das Ziel ist zu einer Aktion zu mobilisieren, kann ein mögliches Herangehen sein, Mobi-Sprays in der Stadt zu verteilen.

Gewalt darf aber niemals zum Selbstzweck werden, sondern muss immer (!) in den gesamten revolutionären Kampf eingebettet sein und entsprechend begleitet werden.

Gegen wen richtet sich die Gewalt?

Diese Frage beantwortet sich naheliegenderweise auch mit der Frage, was wir damit erreichen können. Wir möchten trotzdem kurz darauf eingehen. Häufig sieht man autonome Kollektive, die insbesondere AfD-Mitglieder angreifen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob sich das Risiko lohnt. Selbst wenn ein einfacher AfD-Funktionär erfolgreich eingeschüchtert wird und die Parteiarbeit niederlegt, ändert das wenig am System. Das Risiko der Repressionen hingegen ist immens. Staatsschutz, VS und Polizeibehörden werden mit aller Kraft versuchen, den bürgerlichen Staat zu schützen – siehe die kürzlichen Prozesse gegen die LETZTE GENERATION, die rein wegen zivilem Ungehorsam 129a-Verfahren laufen haben. Daraus ergibt sich der Schluss, dass sich Gewalt in erster Linie als Mittel gegen systemrelevante Stellen richten muss.

Ist ein Systemsturz ohne Gewalt möglich?

Nein. Das Gewaltmonopol liegt in der Hand des bürgerlichen Staates. Er wird also zu jedem Zeitpunkt in der unangefochtenen Lage sein, friedlichen Protest und Widerstand nach seinen Wünschen zu unterdrücken. Nur wenn dieses Gewaltmonopol zerschlagen, nur wenn es gebrochen wird, wird die Klasse der Arbeiter*innen in der Lage sein, sich selbst zu befreien. Reformen mögen ein valides Mittel zur Agitation sein, langfristig verändern werden sie aber nichts. Historisch steht ohne Zweifel fest, dass Reformen zu Gunsten der Arbeiter*innen nur so lange Gültigkeit hatten wie sie die Arbeiter*innen ruhiggestellt haben, das System also abgesichert haben. Der Kapitalismus kann also nicht »wegreformiert« werden – er muss gestürzt werden. Und dabei spielt Gewalt gegen das Gewaltmonopol und ähnliches eine wichtige Rolle.

»Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass alle anderen auch nicht mehr mitmachen.«

Lasst uns also Protest zu Widerstand machen – lasst uns für die Befreiung unserer Klasse kämpfen!